Szenerie No. IV – »La folie d’amour« (einseitig)

Ja doch, ich sehe es. Währenddessen sich buntlaue Sommernächte in neblig kühle Herbstabende verwandelt haben und man wieder vermehrt dort drüben und später lebt als im Hier und Jetzt, ist es schwierig geworden zwischen uns. Was, frage ich mich, ist bloss aus all den Augenblicken geworden, während derer ich dich mich anlächeln sah, mit jenem kurzen Aufblitzen im Blick, das von so viel mehr als Gleichgültigkeit erzählt?

Wenn ich dich heute anschaue, wie du mir gegenüber an dem hübsch gedeckten Tisch vor einem Teller, randvoll gefüllt mit meiner Zuneigung sitzt, sehe ich nichts davon. Alles, was ich in deinem Blick erkenne, ist Unwohlsein – und Bedauern.

Bäm, das hat gesessen. Dieser Blick von dir, meine ich. Es gelingt mir gerade noch, die kunstvoll auf meine Gabel aufgedrehte Menge Spaghetti mit Linsenbolognese halb zum Mund zu führen, bevor mir die Tränen in die Augen schiessen und die gut befüllte Gabel laut klirrend zurück auf den Teller fällt. Dass meine Bluse nun zur Hälfte mit Tomatensauce und Linsen vollgepflastert ist, bemerke ich nicht, so schmerzlich schütteln mich ebenso plötzlich wie ein Sommergewitter aufgetauchte Weinkrämpfe von hier nach da und nochmals zurück.

Du sitzt noch immer schweigend da, allein dein Blick verdüstert sich zunehmend – so stelle ich es mir in Gedanken zumindest vor. »Schau, Liebes…«, setzt du schliesslich zum alles vernichtenden Rundumschlag an.

Befänden wir uns in einem meiner geliebten Videogames, käme dies dem 360Grad-Round-Kick des Endbosses gleich, dem man nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat, solange man auf dem Weg hierher nicht ausreichend Munition und Heiltränke gesammelt hat. Habe. Ich. Nicht. Und so prasseln sie haltlos auf mich ein, deine unheimlich schmerzhaften netten Worte, die sich allesamt um laue Gefühle, Neuanfänge und Freundschaft drehen und ebenso beschissen klingen, wie sie sich anfühlen.

Ich nicke, den tränenverschleierten Blick auf die Tischplatte vor mir fixiert, während meine Hand nach der Serviette tastet und ergebe mich dem Gefühl, am liebsten im Boden versinken zu wollen ob all der Schmach und Pein, die sich mit einem Mal über mich zieht wie schlecht verheilendes Wundgewebe. Irgendwann schweigst du erneut, doch ich traue mich nicht, zu dir aufzuschauen. Vielleicht, da ich fürchte, dich nicht wiedererzukennen. Womöglich aus Angst, ich täte es noch immer.

Ich höre mich sagen, du sollst gehen und die Wohnungstüre hinter dir schliessen. Meine Stimme klingt seltsam tonlos. Soviel nehme ich gerade noch wahr. Wahr nehme ich auch, dass du tust, worum ich dich gebeten habe. Ich höre dich deinen Stuhl zurückschieben, vernehme dich langsam aufstehen und ein klein wenig mehr als kaum merklich seufzen.

Bevor deine Schritte im Korridor nachhallen, spüre ich kurz deine Hand auf meinem Haar. Vorsichtig, ja beinahe gehemmt – fast so als wäre ich eine alte kranke Frau, die vor dir sitzt. Kurz darauf fällt die Tür ins Schloss und auch ich falle. Vom Stuhl auf den kalten Küchenboden und mitten hinein ins herzwährende Verderben.

Game over.

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