Ich sitze in einem jener Metallstühle, die unbequem sind, was man ihnen nur deshalb verzeiht, weil ihr Anblick einen unweigerlich an Sommersonne und Eiscrème erinnert. Mein Blick fährt meinem Schatten entlang, der sich auf den Steinfliesen ausstreckt und ebenso wenig mit mir zu tun haben scheint wie die Frage danach, wo ich denn mal wieder mit meinen Gedanken bin.
Ich bin nicht irgendwo mit meinen Gedanken – so als wären wir Freunde, Partner, Weggefährten. Ich fühle mich als wäre ich in ihnen verloren gegangen, unsicht- und greifbar für mich und andere. Hin und wieder glaube ich, meine Welt existiert bloss aus jenem, was mir durch den Kopf schwirrt und mir selbst, die alledem zuhört.
»An manchen Tagen fühlt es sich an, als wäre alles in mir seltsam uneben, um Millimeter verschoben.« Mit Worten wie diesen versuche ich mich dir zu erklären. Ich spanne mich auf in meinen Versuchen, anzuknüpfen an die Erlebenswelten anderer. Ich spanne mich auf und wieder zu, wann immer ich im Umgang mit anderen das Gefühl habe, zu viel zu sein.
Jenes Gefühl habe ich oft. Stetig taumelnd zwischen der leisen Ahnung, zu wenig oder zu viel zu sein. Zu laut oder leise. Zu impulsiv oder reserviert. Zu präsent oder kaum da. Es kostet Kraft, sich nicht zu verbiegen – oder immerhin nur soweit, dass man sich selbst noch geradeso im Spiegel erkennt.
Ich hebe den Arm. Das Bild vor mir auf dem Boden wirkt seltsam verzerrt. Der eigene Schatten gleicht einem manchmal so wenig, dass man sich fragen muss, ob er tatsächlich zu einem gehört – oder man zu ihm – oder ob das alles nur Einbildung ist. Was gehört zu mir, das über die Grenzen meiner Körperlichkeit hinausreicht?
Mit einem Mal stehst du vor mir. Jegliche Schatten verschwinden hinter deinem Lächeln und der unausgesprochenen Frage, ob ich jetzt gerade hier bin oder anderswo. Ich strecke meine Hände nach deinen aus und für einen Moment ist da weder zu viel noch zu wenig. Während mein Blick die Worte »be here now« auf meinem Unterarm streift, fühle ich irgendetwas in mir kaum hörbar einrasten. Ich lächle wortlos zurück.
Kommentare
Margot Neunhäuserer
Beim Lesen dieser wunderbaren Zeilen am Morgen durchfließt mich ein bekanntes Gefühl und mündet in einen schönen Tag …danke von Herzen!
Emma denkt.
to Margot Neunhäuserer
Es freut mich so, das zu lesen, Margot. Danke für deine lieben Zeilen und fürs Mitlesen und -fühlen.
Liebella
Feels so familiar 💜 Dankeschön für diese Worte.
Emma denkt.
to Liebella
Herzlichen Dank fürs Lesen, Liebella.
Bärbel
Was für ein toller Text ! Vielen Dank ! Ich vermisse deine Texte im Alltag und freue mich jedes Mal , wenn eine Email kommt mit neuem Text ! 😀
Emma denkt.
to Bärbel
Es freut und berührt mich sehr, das zu lesen, Bärbel. Danke von Herzen fürs Hiersein.
Stefan+Geiger
Wunderbar, einfach wunderschön! Herzlich herbstlich warme Grüße aus dem heute sonnigen Berlin, liebe Michele! 🙏❤👋
Emma denkt.
to Stefan+Geiger
Ich danke dir, lieber Stefan und sende herbstgoldene Grüsse zurück zu dir nach Berlin.
Christiane
Großartig!!Wunderschön!!Anrührend und vertraut! Danke ❤️
Emma denkt.
to Christiane
Vielen lieben Dank für dieses so schöne Kompliment, Christiane.